Text von Alain Claude Sulzer
Zutaten allein ergeben kein Gericht. Doch ohne Zutaten bleibt jede Speise Illusion. Das Zusammentragen von zufällig gefundenen Dingen ist ein optisches und taktiles Erkunden, das auf geheimen
Wegen in einen Anfang münden kann. Was sich dazu eignet, durch Wiederverwertung neu bewertet zu werden, erweist sich nicht selten erst nach langem Aufbewahren und Warten. Verweilen und Verwahren
verändert die Gegenstände. Die Nachbarschaft zu einst unvereinbaren Dingen lässt Unerwartetes entstehen. Sobald Silvia Boss sie aus dem Dämmer ihrer Wunderkammern befreit, glänzen sie neu.
Kunst beginnt bei Silvia Boss mit Sammeln. Sie sammelt Eindrücke, wenn sie zeichnet oder aquarelliert, sie sammelt Zukunft, wenn sie ihre grossen und kleinen Schatztruhen mit Fundstücken aller
Art füllt. Der Zufall mag eine wichtige Rolle spielen, aber wer schon so lange durch die Märkte wandert wie sie, hat sein Auge geschult, sowohl für das Bewährte als auch für das
Aussergewöhnliche. Ob sie je gewogen hat, wie viel sie auf ihren Spaziergängen durch Marokko, China, New York, Berlin und Basel im Lauf der Zeit angereichert hat? Eine Last sind ihr die Dinge
offenkundig nie geworden.
Gegenstände, die jahrelang in Schachteln und Dosen, Kisten und Kästen vor sich hin dösten, entwickeln bei Silvia Boss ein glanzvolles neues Leben. Die Sammlerin wird zur Künstlerin, wenn sie mit
scheinbar unbedeutenden Dinge neue Welten gestaltet, indem sie sie transformiert.
Von der Fadenspule bis zum Altarbild wird man bei Silvia Boss alles finden; das Unscheinbare findet seinen Platz neben dem Erhabenen. Gesammelt, gehütet und gehortet hat sie schon als Kind – mit
Samen und Blumen begann es, die nicht für die Vase, sondern für die Ewigkeit bestimmt waren. Die Patina lag ihrem Herzen näher als vergängliche Buntheit. In Silvia Boss’ magischen Magazinen
stapeln sich die kleinen und die grossen Dinge aufeinander, übereinander und ineinander – sie schlummern mit Engelsgeduld einem neuen Leben entgegen, wo sie wie alte Karten neu gemischt werden.
Wie Silvia Boss die Übersicht über ihr Reich behält, ist ihr Geheimnis. Mit traumwandlerischer Sicherheit, so stelle ich mir vor, stösst sie auf die gewünschten Dinge, um sie neu zu ordnen, neu
zu formen
So erhalten längst verstorbene Objekte männlicher Begierde eine neue Bedeutung. Hundert Jahre später hat Silvia Boss noch einmal Mass an ihnen genommen, um sie neu einzukleiden. Sie gibt ihnen
etwas von der Körpermacht zurück, die sie verloren hatten. Frauen (und ein paar wenige Männer), die sich einst den Blicken der Voyeure darboten, hüllen sich neu in Edelstein, Gold und Silber,
Spitze und Stuck, Faden und Wolle, Feder und Kiel.
Silvia Boss
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