La poésie des femmes


Angezogen, halbnackt, nackt – sich räkelnd, verführerisch, neckisch, lasziv, sexy, vulgär, obszön, sinnlich, betörend, heilig – die Begriffe liessen sich beliebig erweitern. Wie bei Heinrich Heines «Das Fräulein stand am Meere» ist auch der Frauenakt nichts weiter als ein «altes Stück», doch wie der Sonnenuntergang vermag er seit Jahrtausenden nicht nur die Männer zu faszinieren. Es ist die Abwechslung, die Variation, die Reize schafft. Auch wenn die Attribute gleich bleiben, der Anblick ist jedes Mal anders und verfehlt seine Wirkung nicht. Ein Glück für die Menschheit – ihr wäre sonst das gleiche Schicksal bestimmt wie den Dinosauriern. Doch die Nackten und Schönen, sie sind realer denn je. Verbargen sich ihre Bilder früher in geheimen Fotoalben oder in den Portefeuilles unserer Grossväter, tauchten sie später dann vereinzelt auf Postkarten auf und heute sind sie aus der Werbung nicht mehr wegzudenken. 

Nicht nur für Mode und Parfüms, auch für Bier, Wodka, Butter und Burger dient die nackte Haut als Eyecatcher. Auch hier ist es die Variation und die Innovation, die verführt. Auf Variationen basieren auch die Rahmen, mit denen Silvia Boss die Nackten umgibt, doch dahinter steckt eine andere Konsumhaltung. Hier sind die Nackten und Schönen nicht Mittel zum Zweck, um auf irgend welche Produkte aufmerksam zu machen, hier stehen sie selbst im Zentrum, werden selbst zu Ikonen. Passend zu den Bildern und ihrer Machart, wurden sie mit Zierleisten, Federn, Elefantenhaut, Schildpatt, Stoffen, Arabesken, Sternen, Blumen oder alten und kostbaren Hölzern umgeben. Sie erhielten so alle eine Art Kleidung, einen Zierrat, der wie eine Aura wirkt. Kein Wunder, dass die Kleinodien bald ausverkauft waren. 

Nun gibt’s von allen Kunstwerken eine Kartenserie. Ein Blick durch das Schlüsselloch lohnt sich.

Simon Baur